Auf den Spuren von Günter Grass in Danzig
Einer der hervorragendsten deutschen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts ist am 16.10.1927. in der Freien Stadt Danzig geboren, im Geburtshilfekrankenhaus in der ul. Kliniczna (Schellmühlerweg), im Wohnviertel Wrzeszcz (Langfuhr). Sein Vater war Wilhelm Grass (1899-1979), evangelisch, und die Mutter Helena, geborene Knoff (1896-1954), römisch-katholisch. Die Familie wohnte am Anfang in Langfuhrin der ul. Lendziona 5a (Kastanienweg), und dann in der ul. Lelewela 13 (Labesweg). Der Vater des Schriftstellers war Kaufmann und führte einen kleinen Kolonialladen. Der Vater von Günter Grass war Deutscher, die Mutter dagegen Kaschubin, was zu dieser Zeit nichts Außergewöhnliches war. Dank der Mutter wurden Günter und seine drei Jahre jüngere Schwester Waltraut in der Herz-Jesu-Kirche in der ul. Zator-Przytockiego (Schwarzerweg) in Wrzeszcz getauft und katholisch, aber tolerant erzogen. Nach dem Abschluss der Grundschule in der ul. Pestalozziego (Pestalozzistrasse) lernte der zukünftige Schriftsteller an verschiedenen Gymnasien, u.a. im "Conradinum" in der ul. Piramowicza (Kruestrasse). 1948 begann er, an der Kunstakademie in Düsseldorf zu studieren. 1951 reiste er das erste Mal ins Ausland per Anhalter nach Italien und auf Sizilien, und im nächsten Jahr nach Frankreich. 1953-1956 studierte er die Bildhauerei an der Hochschule für Bildende Künste in Westberlin. 1954 heiratete er die schweizerische Tänzerin Anna Schwarz, mit der er vier Kinder hat. 1975 trat er aus der katholischen Kirche aus und 1978 ließ er sich mit seiner Frau scheiden. Im nächsten Jahre schloss er die Ehe mit der Organistin Ute Grunert.
1952 begann er seinen ersten Roman "Die Blechtrommel" zu schreiben, dessen Handlung in Danzig spielt. Das Buch wurde sieben Jahre später herausgegeben und brachte ihm Weltruhm. Er wurde in viele Sprachen übersetzt und von dem deutschen Regisseur Volker Schlöndorff (1979) verfilmt. 1958 besuchte der Schriftsteller das erste Mal nach dem Krieg während der Arbeit an der " Blechtrommel" seine Heimatstadt. In den nächsten Jahren war er in Polen und Danzig mehrmals bei verschiedenen Gelegenheiten, sowohl privat, als auch offiziell. Die Beziehung zu Danzig und zu der hier verbliebenen Familie waren für ihn sehr wichtig. Der außergewöhnlich talentierte, vielseitig gebildete und sehr fleißige Künstler, dem die Grafik, Poesie, Bildhauerei und Publizistik nicht fremd sind, gewinnt große Anerkennung und bekommt Prestige- Auszeichnungen in den kulturellen und wissenschaftlichen Milieus. Seine vierzigjährige Arbeit wird im Jahre 1999 mit dem Literatur-Nobelpreis für sein gesamtes Werk gekrönt. In Gdańsk wurde er im Jahre 1993 mit dem Titel Doktor honoris causa der Danziger Universität sowie ein Jahr später mit dem Diplom des Ehrenbürgers der Stadt Danzig geehrt.
Er wird mehrmals ausgezeichnet, preisgekrönt und geschätzt, nicht nur in Europa aber auch weltweit. Außer der literarischen und künstlerischen Tätigkeit ließ sich Günter Grass auch auf die Politik ein. Seit den frühen sechziger bis zu den neunziger Jahren war er mit der SPD verbunden. 1992 gründete er in der Berliner Kunstakademie eine Daniel-Chodowiecki-Stiftung, die die deutsch-polnischen kulturellen Beziehungen unterstützen sollte. Die Stiftung verleiht Preise und gewährt Stipendien den polnischen Grafikern und Zeichnern sowie organisiert die Ausstellungen ihrer Werke in Deutschland.
Das Werk von Grass ist sehr breit und vielfältig - er schreibt Dramen, schafft Poesie, schreibt Essays, er ist auch Bildhauer und Grafiker.
Zu den wichtigsten Werken von Günter Grass auf dem Gebiet der Literatur gehören: die Danziger Trilogie "Die Blechtrommel"(1959), "Katz und Maus" (1961) und "Hundejahre" (1963) sowie "Aus dem Tagebuch einer Schnecke" (1972), "Der Butt" (1977), "Die Rättin" (1986), "Unkenrufe" (1992), " Ein weites Feld" (1995), "Mein Jahrhundert" (1999) und der letzte Roman "Im Krebsgang"(2002).
Der Schriftsteller verbindet geschickt in seinen Werken den Realismus mit der Märchenfantasie, was die Schwedische Akademie in ihrer Begründung zum Nobelpreis für Literatur 1999 unterstrich: "Grass habe in munterschwarzen Fabeln das vergessene Gesicht der Geschichte gezeichnet"
Vorgeschlagene touristische Route zu Fuß
Die Besichtigung der Orte, die mit dem Autor der "Blechtrommel" zusammenhängen, sollten Sie vom Zentrum Wrzeszcz, in der Nähe des PKP- Bahnhofs, von der ul. Lendziona 5a (1) anfangen. Zum Zeitpunkt der Geburt des zukünftigen Schriftstellers (16.10.1927) wohnten die Eltern von Grass, Wilhelm Grass und
Helena geborene Knoff, am Kastanienweg 5a. Dann gehen wir ul. Lendziona in die Richtung des PKP- Bahnhofs und biegen rechts in die ul. Dmowskiego ab, in der wir die Herz-Jesu-Kirche in der ul. Zator-Przytockiego 3 (2) erreichen, früher Schwarzerweg. Die Kirche wurde in den Jahren 1909-1911 (Pfarrei seit 1901) im neugotischen Stil erbaut, und von Anfang an diente er den Katholiken, auch der Familie Grass. Der Pfarrer war hier Walter Wienke, der den späteren Nobelpreisträger getauft hat. Der Eintritt in die Kirche ist es wert, um sich mit der Informationstafel über die Geschichte der Pfarrei bekannt zu machen.
Wir verlassen die Kirche, biegen nach links ab, gehen unter der Bahnüberführung, dann biegen wir wieder nach links ab und gehen ul. Kilińskiego entlang, wir gehen rechts am Park Kuźniczki (Kleinhammerpark) vorbei. Wir gehen an den Gebäuden der ehemaligen Brauerei (Danziger Aktien-Bierbrauerei, Danziger Malzfabrik GmbH. Neuteich, Staatliche Vereinte Brauereien - Staatliche Brauerei Nr. 1 in Gdańsk-Wrzeszcz, Brauerei Gdansk Hevelius Brewing Company L.t.d.).
Wir biegen in die ul. Gołębia ein und als Panorama sehen wir das Gebäude des heutigen II. Lyzeums, der ehemaligen Grundschule, die Günter Grass besuchte (3). Der Schulkomplex in der ul. Pestalozziego 7/9 (Pestalozzistrasse) wurde im Jahre 1929 nach dem Entwurf von M. Kiessling und A. Krüger gebaut. Wir gehen nach rechts in die Richtung Wybicki- Platz (4). Neben dem Springbrunnen befindet sich eine Laube mit einem Bänkchen und der Gestalt von Oskar aus der "Blechtrommel".
Dann gehen wir in die Richtung des Hauses in der ul. Lelewela 13, wo Grass seine Kindheit verbrachte (5). Das Haus am Labesweg 13 wurde von G. Beyer entworfen und in den Jahren 1907 - 1908 erbaut. Die Wohnung der Familie Grass befand sich im Erdgeschoss und war mit dem Laden verbunden.
Von der ul. Lelewela biegen wir nach rechts in die ul. Aldony ab. Wir gehen über den Strzyża-Bach. Dieser Bach ist ein wichtiges Element der Landschaft in der Kindheit von Grass, verewigt in seinen Werken ist er als der letzte Zufluss der Toten Weichsel. Wenn wir den Strzyża-Bach entlang gehen, kommen wir zur ul. Waryńskiego und nach einer Weile biegen wir in die ul. Wyspiańskiego ein.
Nach etwa 150 m biegen wir nach links in die ul. Leczkowa ein, in der wir das Klinische Krankenhaus erreichen (6). Dieses Geburtshilfekrankenhaus wurde in den Jahren 1910-1912 als ein modernes Krankenhaus erbaut und erfüllt bis heute diese Funktion. Hier ist Günter Grass, der spätere Nobelpreisträger am 16.10.1927 geboren.
Wir gehen unter der Bahnbrücke hindurch und stehen vor dem Gebäudekomplex "Conradinum" (7). Die Stiftung Karol Fryderyk Conradi entstand nach dem Willen des letzten Nachkommen aus der Familie Conradi
Ende des 18. Jahrhunderts. Im Jahre 1801 entstand in Jankowo bei Danzig ein Gymnasium mit dem Internat, das dann 1900 in neue Gebäude in der ul. Piramowicza (Krusestrasse) verlegt wurde. Der Komplex wurde im Neorenaissancestil erbaut. Das Realgymnasium für Männer in der Krusestrasse besuchte Grass zwei Jahre. Heute sind hier einige Schulen, darin auch das berühmte Technikum für Schiffbau.
Wir gehen in die ul. Uphagena und nach etwa 150 m links sehen wir das Gebäude des Puppentheaters und Schauspielertheaters "Miniatura" (8). Hier lasen G. Grass und P. Huelle am 17. 06. 2005 die Fragmente ihrer Werke. Hier beenden wir die Route in Wrzeszcz. Um die Besichtigung der mit G. Grass verbundenen Orte fortzusetzen, raten wir sich zum PKP- Bahnhof Gdańsk - Wrzeszcz zu begeben, von wo die Busse des Stadtverkehrs (Nr. 110, Nr. 126, Nr. 157) in die Richtung Matarnia abfahren. Wir fahren in dir Richtung Flughafen Rębiechowo und steigen an der ersten Haltestelle hinter der dreistädtischen Schnellstraße aus. Zur Valentinskirche in Matarnia kann man auf zwei verschiedene Weisen kommen. Entweder ul. Agrarna, oder ul. Budowlanych entlang zur ul. Jesienna (die zweite Möglichkeit bietet sich ach mit dem Auto). Matarnia (ursprünglich Chojna) mit den umliegenden Dörfern gehörte den Zisterziensern seit Ende des 13. Jahrhunderts. Die Kirche ist im gotischen Stil erbaut (9). Neben der Kirche steht eine Kapelle, die 1380 von den Richerts gestiftet wurde. Am 12. 03. 1991 war G. Grass in Matarnia und nahm an der Trauermesse und dem Begräbnis seines Verwandten, Jan Krause (Hanys) teil. Der Pfarrfriedhof befindet sich neben der Kirche und dort wurden die Familienmitglieder des Schriftstellers mütterlicherseits beerdigt (10). Unter anderen die Urgroßeltern des Nobelpreisträgers, Michał und Maria Krause, der Onkel Opa und die Tante Oma, Józef und Anna Krause sowie Jan Krause.
Bis jetzt besuchten wir die Orte, die mit der Kindheit und Jugendzeit von G. Grass zusammenhängen. Als Ergänzung schlagen wir vor, die Orte zu besichtigen, die für den Schriftsteller heute wichtig sind. In der 3 Maja- Straße zwischen dem PKS- Bahnhof und der Fronleichnamkirche befindet sich ein außergewöhnliches Denkmal, das alle zerstörten Beerdigungsstellen in Danzig symbolisiert. Es ist das Denkmal der nicht existierenden Friedhöfe(11), das am 24. Mai 2002 enthüllt wurde. Die Autoren dieses Projekts Friedhof sind: Hanna Klementowska und Jacek Krenz (Mitarbeit: Katarzyna Krenz, Michał Krenz, Andrzej Wójcicki). Die Autoren der Skulpturen sind Zygfryd Korpalski und Witold Głuchowski. Die Skulpturen aus Sandstein und Granit wurden in dem Steinmetzbetrieb von Jerzy Kramer gefertigt. Die feierliche Eröffnung des Friedhofs erfolgte während des I. Welttreffens der Danziger. Eine der Begleitveranstaltungen zur Feier des Treffens und der Friedhofseröffnung, war die Ausstellung der Grafiken von G. Grass unter dem Titel "Metamorphosen
der Wirklichkeit".
Das Altstädtische Rathaus in der ul. Korzenna (12) - die Perle der niederländischen Renaissance (16. Jahrhundert), das Werk des hervorragenden Architekten, Antoni van Obberghen. Sitz der Stadtbehörden der Altstadt. Der Ort des Zusammentreffens mit Lesern, der Workshops mit Dolmetschern sowie zahlreicher Ausstellungen der Grafiken, Skulpturen und Lithografien von Grass.
Polnische Post (13) in der Freien Stadt Danzig, heute in der ul. Obrońców Poczty Polskiej, früher Heveliusplatz. Der Ort der heldenhaften Defensive der polnischen Postangestellten (am 01.09.1939.) und Erfüllungsort ihres tragischen Schicksals. Einer der Verteidiger war ein Verwandter von Grass, Franciszek Krause, erschossen auf dem Gebiet des ehemaligen Militärschießplatzes in Zaspa (heute Friedhof, auf dem die Postangestellten beerdigt wurden) nach dem Urteil des Feldgerichts der Eberhardt-Gruppe vom 05.10.1939.
Johanniskirche in der ul. Świętojańska (14), erbaut im gotischen Stil im 14. Jahrhundert. Heute erfüllt die Kirche zwei Funktionen: eine religiöse (sonntags finden Messen, Taufen und Trauungen statt) und eine kulturelle Funktion (Ausstellungen, Konzerte, Theateraufführungen). Im Juni 2002 fand hier das Treffen von Grass mit den Lesern und polnischen Schriftstellern statt. Der Schriftsteller las Fragmente seines Romans "Im Krebsgang" vor.
Das Rechtsstädtische Rathaus (15) in der ul. Długa. Sitz der Stadtbehörden. Seine erste Erwähnung stammt aus dem 14. Jahrhundert. Das Rathaus ist im gotischen Stil erbaut, mehrmals umgebaut, heute hat es Elemente einiger Baustile: Gotik, Renaissance und Barock. Am 18. Mai 1993 fand im Roten Saal die Zeremonie der Übergabe der Ehrenbürgerwürde der Stadt Gdansk an Günter Grass.
Autoren des Textes:
Paulina Świerk, Jarosław Żurawiński
Autoren der Fotos:
Paulina Świerk (1 - 13,15)
Jarosław Żurawiński (14)
Beratung: Dr. Ewa Graczyk
Übersetzung: Bożena Kwiatkowska